Auf dem heimischen Immobilienmarkt schien lange nichts unmöglich. Mittlerweile ist es empfindlich schwieriger geworden, eine Immobilie zu erwerben. Die Sehnsucht nach einem Eigenheim scheint dem zu trotzen. 

Dieser Artikel ist im Eigentümer:in Magazin erschienen.

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Einerseits ist der Wunsch vieler Österreicher:innen nach Wohneigentum in den vergangenen Jahren stärker geworden. Andererseits haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – allen voran durch die hohe Inflation und steigende Zinsen – in kurzer Zeit stark gewandelt. Wie weit liegen Immobilienwünsche und Wohnrealität auseinander und in welcher Weise verändern schwierige Zeiten die Traumimmobilie?

Starke Wünsche

„Acht von zehn Personen in Österreich ist es persönlich wichtig, eine eigene Wohnung oder ein Eigenheim zu besitzen“, sagt Markus Dejmek, Geschäftsführer von ImmoScout24 Österreich. Das ergab eine Befragung im Auftrag der Immobilienplattform Anfang des Jahres. Sogar als „extrem wichtig“ stuften 26 Prozent der Befragten Wohneigentum ein, 29 Prozent als „sehr wichtig“ und 24 Prozent als „eher wichtig“. Wohnimmobilien haben jüngst an Bedeutung gewonnen; bei der gleichen Befragung im Jahr 2016 hatten noch gerade 75 Prozent zumindest „eher wichtig“ angegeben, heuer waren es 79 Prozent. 

Überdurchschnittlich hoch ist der Stellenwert von Eigentum auf dem Land. In Dörfern oder außerhalb von Ortsgebieten wünschen sich ganze 88 Prozent ein eigenes Zuhause, im Umland beziehungsweise Einzugsgebiet einer Stadt immerhin noch 84 Prozent. Die geringste Priorität hat Eigentum unter der urbanen Bevölkerung (hier ist es für gerade einmal 69 Prozent wichtig). In Wien geben sogar weniger als zwei Drittel an, dass eine Wohnung oder ein Haus zu besitzen für sie persönlich von Bedeutung sei. Unterschiede zeigen sich auch von Bundesland zu Bundesland, wobei man im Westen Österreichs ganz besonders nach Immobilienbesitz strebt. So ist es in Tirol 95 Prozent der Befragten wichtig, ein eigenes Heim zu besitzen. In Vorarlberg machten neun von zehn Personen entsprechende Angaben, in Salzburg immerhin 86 Prozent. 

Stellenwert und Demografie

Neben der regionalen Struktur spielen persönliche Lebensumstände eine erhebliche Rolle. So empfinden durchschnittlich neun von zehn Personen mit Kindern ein eigenes Heim als erstrebenswert; in kinderlosen Haushalten sind hingegen nur drei Viertel der Befragten dieser Meinung.

Wer glaubt, dass der Wunsch nach Eigentum ein Phänomen höheren Lebensalters wäre, irrt. Denn während in der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen 83 Prozent angeben, dass es ihnen wichtig sei, eine Wohnung oder ein Haus zu besitzen, nimmt der Wunsch mit steigendem Alter sogar etwas ab. In der Generation 60+ geben nur noch 71 Prozent an, ein Eigenheim besitzen zu wollen. 

Ausbaufähige Realität

Für wie viele Menschen sich das Ideal vom Wohneigentum bereits verwirklicht hat, darüber gibt die sogenannte Eigentumsquote Aufschluss. Sie beschreibt das Verhältnis der Wohnungen, die von Eigentümer:innen selbst bewohnt werden, zur Gesamtzahl aller Hauptwohnsitze. In Österreich beträgt sie aktuellen Zahlen zufolge 48 Prozent. Damit lebt hierzulande bereits fast jeder zweite Haushalt im persönlichen Eigentum. Davon entfällt der größte Teil auf Eigentumshäuser. Wie Daten der Statistik Austria zeigen, ist die Eigentumsquote jedoch rückläufig. Noch im Jahr 2010 hatte sie bei 50,2 Prozent gelegen. Und auch im internationalen Vergleich befindet sich Österreich bei Wohneigentum nicht im Spitzenfeld.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liefert regelmäßig detaillierte Informationen zum Immobilienmarkt der 38 Mitgliedstaaten. Im Durchschnitt leben in den OECD-Ländern 71 Prozent der Haushalte in Haus- oder Wohnungseigentum. Besonders hoch ist die Quote in Ländern wie Kroatien (91 Prozent), Litauen (92 Prozent) oder Rumänien (96 Prozent), denn in den ehemals sozialistischen Staaten spielte der Erwerb von Wohneigentum im Zuge der Wende 1989–91 eine zentrale Rolle im Leben der Menschen.

Mit 52 Prozent leben in Österreich mit Abstand die meisten Haushalte zur Miete. Bei der Eigentumsquote gehört Österreich hingegen mit seinen deutschsprachigen Nachbarn Deutschland (44 Prozent) und der Schweiz (37 Prozent) sowie Dänemark (51 Prozent) zu den OECD-Ländern mit den niedrigsten Werten.

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Warum dies in Volkswirtschaften mit überdurchschnittlichem Pro-Kopf-Einkommen so ist, untersuchte eine Studie der Deutschen Bundesbank: „Ein gewichtiger Teil der im Ländervergleich niedrigen Wohneigentumsquote in Deutschland kann durch eine relativ hohe Grunderwerbssteuer, die fehlende steuerliche Abzugsmöglichkeit von Hypothekenzinsen für Eigennutzer und den sozialen Wohnungsbau erklärt werden“, schreiben die Studienautoren. Hinsichtlich der Eigentumsfinanzierung zeigen die Daten der OECD, dass in Österreich lediglich 60 Prozent aller Hauptwohnsitze im Eigentum frei von Kreditbelastungen sind, während auf 40 Prozent der Hauptwohnsitze im Eigentum aktuell eine Hypothek ruht. Ein Umstand, der in Anbetracht der jüngsten Entwicklungen an Bedeutung für den Immobilientraum und dessen Realisierung gewonnen hat. 

Entscheidender Faktor: Zinsen

Mit Jänner 2022 begann eine Trendwende. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte im Kampf gegen die rasant steigende Inflation damit begonnen, die Leitzinsen anzuheben. Damit begannen die Zinsen für in Österreich vergebene Kredite zur Wohnraumbeschaffung massiv zu steigen. Daten der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) zufolge haben sie sich innerhalb nur eines Jahres mehr als verdoppelt: von durchschnittlich 1,18 Prozent im Jänner 2022 auf 3,33 Prozent zum heurigen Jahresbeginn. Zuletzt verlangsamte sich der Zinsanstieg bei Wohnbaukrediten zwar etwas, doch der Trend zeigt weiterhin nach oben. Im März 2023 lagen die Nominalzinsen bei durchschnittlich 3,60 Prozent. Nach einer Phase historisch niedriger Zinsen sind Kredite also wieder teurer geworden. Der Richtungswechsel in der europäischen Geldpolitik hat spürbare Auswirkungen auf den Immobilienmarkt, wie Marktdaten von ImmoScout24 zeigen. Die Nachfrage in Österreich richtet sich wieder verstärkt auf Mietobjekte: „Unsicherheit und Krisen, gestiegene Lebenshaltungskosten und strengere Kreditvorgaben führen zu einem Anstieg bei der Suche nach verfügbaren Mietwohnungen“, erklärt Markus Dejmek, Österreich-Chef von ImmoScout24. Bereits gegen Ende des Vorjahres verzeichnete ImmoScout24 ein Nachfrageplus bei Mietwohnungen. Im März lag es österreichweit bei acht Prozent und sogar bei 20 Prozent in Wien.

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Heiße Preise

Zugleich ist die Nachfrage nach Eigentumswohnungen gesunken. Im März 2023 lag sie 27 Prozent unter der Nachfrage von vor einem Jahr. In Wien reduzierte sie sich um 20 Prozent: „Kredite sind teurer geworden und die Leistbarkeit von Kaufwohnungen ist damit zurückgegangen“, erklärt Matthias Brandstetter, Head of Product bei ImmoScout24 Österreich. Dies wirkt sich auf die Preise aus, die langsam sinken. Österreichweit sind die Angebote für Kaufimmobilien auf der Immobilienplattform im Jahresabstand um zwei Prozent günstiger geworden. 

Auf dem Mietmarkt führt die stark gestiegene Nachfrage naturgemäß zu höheren Preisen. Welche Marktseite sich allerdings mittelfristig durchsetzen wird, scheint noch nicht klar: „Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage zeigt sich besonders beim Mietpreis, wo die Durchschnittswohnung inklusive Betriebskosten um 1.244 Euro angeboten wird, die Nachfragenden im Schnitt aber nur 977 Euro bezahlen wollen“, sagt Matthias Brandstetter. Bei den nun angebotenen Immobilien lagen die Mieten im März durchschnittlich um 41 Prozent höher als ein Jahr davor. Aber auch auf der Nachfrageseite werden höhere Mieten allmählich akzeptiert. Die Mieten der nachgefragten Objekte waren zuletzt um 14 Prozent höher als noch vor einem Jahr. Dass Suchende aufgrund der neuen Marktlage ihre Ansprüche reduzieren, lässt sich nicht beobachten – zumindest, was die Immobiliengröße betrifft. Die durchschnittliche Fläche der gesuchten Wohnungen blieb sowohl im Kauf- als auch im Mietsektor praktisch unverändert. Für andere Wohnungsmerkmale, wie zum Beispiel verfügbare Freiflächen, gilt dies nicht unbedingt. 

Wie es weitergehen könnte

Die Zukunft des Immobilienmarktes ist freilich kaum vorauszusagen und hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Maßgebend wird sein, wie sich die Zinsen, die Inflation und mit ihr die wirtschaftliche Situation potenzieller Eigentümer:innen entwickeln. Geht es nach der Oesterreichischen Nationalbank, sollte man sich jedenfalls auf weitere Bewegung am Immobilienmarkt einstellen. Sie rechnet nämlich mit einer deutlich rückläufigen Zahl von Fertigstellungen im Wohnbau. Dies liege an den stark gestiegenen Bau- und Grundstückskosten, steigenden Zinsen, der Verschärfung der Kreditvergaberichtlinien sowie sinkenden Realeinkommen, welche die Bauwirtschaft stark treffen. Andererseits sieht die Nationalbank ein Überangebot an Wohnungen, das sich durch Rekordzahlen bei den Fertigstellungen zwischen 2019 und 2021 aufgebaut habe. Im laufenden Jahr werde dieses Überangebot auf 50.000 Einheiten ansteigen, schätzt die OeNB.

Wie sich all das auf die Kauf- und Mietpreise auswirken wird, bleibt abzuwarten. „Die Marktdaten legen jedenfalls nahe, dass sich zumindest die Immobilienträume der Österreicher:innen noch nicht grundlegend verändert haben“, fasst Markus Dejmek zusammen.